Der Titel dieses Blogs spielt natürlich auf das berühmte Magazin "Cahiers Du Cinema" (Notizen zum Kino) an, dessen Filmkritiker Francois Truffaut und Claude Chabrol später Regisseure und Wegbereiter eines neuen französischen Kinos wurden.
Dennoch ist dies kein arthouse Blog. Es ist ein Blog über die Liebe zum Film. Gute Filme. Und sehr schlechte. Egal woher sie stammen. Egal wie sie zu klassifizieren sind.

Samstag, 10. Februar 2018

DAS GEWISSEN EINES EINZELNEN: „WER DIE NACHTIGALL STÖRT“ (1962) – TEIL 2



Gewidmet der Gruppe "Wir brauchen den Widerstand gegen Rechts"



TEIL 2: SCENES FROM MAYCOMB



Tribute - Clip von Hannah Benneman



Stellte sich also, bevor die erste Klappe fallen konnte, noch die alles Entscheidende Frage:
Wo konnte man den Film drehen?

Natürlich war der erste Gedanke, an Originalschauplätzen im Süden, vielleicht sogar in Monroeville zu drehen. Chefdesigner Henry Bumstead, der das Produktionsdesign zusammen mit Alexander Golitzen und Oliver Emert kreieren würde – das Team hatte bereits bei „Ein charmanter Hochstapler“ im Jahr zuvor mit Robert Mulligan zusammengearbeitet – reiste also gen Süden um sich mit Harper Lee zu treffen, die Architektur zu studieren und fotografieren und auch Lee's alte Fotoalben zu durchforsten. Welche Eindrücke er dabei gewann, ist einem Brief zu entnehmen, den er im November 1961 an Alan Pakula schrieb, und der uns hier im Wortlaut erhalten ist:






Harper Lee mit Produktionsdesigner Henry Bumstead
Schnell zeigte sich das wesentliche Problem. Nicht nur wäre es aus rein politischen Gründen extrem gewagt gewesen im Süden zu drehen, es wäre auch unmöglich gewesen dort die dreißiger Jahre wiederauferstehen zu lassen. In den drei vergangen Jahrzehnten hatten sich die Kleinstädte im Süden rein baulich so drastisch verändert, dass es keine Chance gab dort ein passendes Double für das fiktive Maycomb zu finden, in dem nicht an unpassender Stelle eine moderne Tankstelle oder ein Supermarkt ins Bild ragte. Auch die spezielle Bauweise der Häuser der Dreißiger wurde nicht mehr gepflegt. 

So blieb dem Ausstatter – Team nur Eines: In einem Gewaltakt bauten sie die relevanten Straßenzüge in unfassbarer Genauigkeit und Detailtreue auf dem Studiogelände von Universal Pictures künstlich nach – die spezifischen Veranden und Häuserfassaden, staubige Straßen ohne Belag, sogar die spezifische Pflanzen- und Baumwelt des Südens. Insgesamt wurden 30 Gebäude errichtet, für ein Budget von 225 000 Dollar.

JEDE Außenaufnahme des Films ist Off Location auf einem Studio Lot in absoluter Perfektion rekreiert, so lebensecht, dass man heilige Eide schwören würde, das alles sei in einem von der Zeit vergessen Städtchen in Alabama aufgenommen, und nicht mitten in der Millionenmetropole Los Angeles. Das Team ging zu diesem Zweck soweit, sogar eine ganze Häuserzeile der Dreißiger aus dem Süden, die dort abgerissen werden sollte, aufzukaufen, Stein für Stein und Brett für Brett ab- und in Hollywood wieder aufzubauen. So entstand die Hauptstraße des verträumten Maycomb in Maycomb County, Alabama. Auch in der Innenausstattung leistete das erfahrene Team Überragendes. Nicht nur in der Innengestaltung der Häuser, sondern besonders auch bei der Gerichtssaal-Kulisse.


Original - Produktionszeichnungen
Henry Bumstead, Oliver Emert und Alexander Golitzen gelang es den vollständigen Gerichtssaal von Monroeville – denselben Gerichtssaal in dem die kleine Nelle Harper Lee ihren Vater dabei beobachtet hatte, wie er verzweifelt um das Leben seiner schwarzen Mandanten kämpfte; ein Gerichtssaal der 1962 noch in Betrieb war und für die Dreharbeiten nicht lange genug abgesperrt werden konnte – anhand zahlloser Fotos und Messungen im Maßstab eins zu eins komplett im Studio nachzubauen. Und dies in solcher Vollkommenheit, dass zum wirklichen Gebäude, es existiert noch immer im Originalzustand in Monroeville und wird heute noch genutzt, kein Unterschied feststellbar ist.

Die Produktionsdesigner hatten nicht mehr und nicht weniger erreicht als, für einen bestimmten Augenblick der Zeitgeschichte und zu einem bestimmten Zweck, eine untergegangene Welt wiederauferstehen zu lassen.



Dasselbe gelang Horton Foote in seinem in jeder Hinsicht bemerkenswerten Drehbuch, in dem er das Geschehen auf genialische Weise verdichtete ohne den Wesenskern der Vorlage oder der Figuren anzutasten. Unfassbar liebevoll und vorsichtig als hantierte er mit etwas Zerbrechlichem, oder legte, wie ein Archäologe vorsichtig mit einem Pinsel ein Pharaonengrab frei, ging er mit dem Ursprungsmaterial um und transportierte es so unbeschadet in ein anderes Medium.






Drehbuch - Studien
Entscheidend, so Foote, sei für ihn der Vorschlag Alan J. Pakulas gewesen, die Handlung der drei Jahre des Romans auf ein einziges Jahr im Wechsel der Jahreszeiten zusammenziehen – das habe ihm einen Weg aufgeschlüsselt. Er entfernte komplett die Nebenhandlungen von Scouts erstem Schulbesuch (mit Ausnahme einiger weniger Szenen die später geschnitten wurden und heute verschollen sind), von der späten Heilung der Mrs. Dubose (obwohl auch diese zunächst gedreht worden sein müssen), die Weihnachtsepisode auf Finchs Landing, den Brand von Mrs. Maudies Haus sowie viele kleinere Episödchen und fokussierte auf die zwei Haupthandlungsstränge des Buches: Die Tom Robinson Geschichte, die im Gerichtsprozess gipfelt, und die in der Kinderwelt wurzelnde, geheimnisvolle Boo-Radley-Story die sie umklammert (So spiegelt er die Kreisstruktur des Romans). Die Nebenfiguren Jack Finch und Auntie Alexandra montierte er komplett aus der Handlung heraus. An einigen wenigen Stellen arbeitete er mit einem Voice Over der erwachsenen Jean Louise (besonders Einleitung und Schluss), gesprochen von Kim Stanley und übertrug so die Erzählperspektive des Romans in den Film. Der kindliche Blickwinkel auf die Dinge wurde in seinem Skript ungeheuer stringent beibehalten. Viele Details und prägende Elemente aus den weggefallenen Teilen integrierte er in anderer Form in die vorhandene Haupthandlung, so dass die Textur des Gestrichenen nicht völlig verschwand. Die ganzen ersten zwanzig Minuten in denen er, während er einen Feriennachmittag der Kinder zeigt, in geschicktester Verknüpfung bereits, fast leitmotivisch, auf alle Elemente anspielt, die später einmal von Bedeutung sein werden und dabei gleichzeitig Figuren und Setting skizziert, sind ein Traum an Drehbuchhandwerk.


Da Harper Lee ein glänzendes Ohr für die gesprochene Sprache hatte, gerade in den Dialekten, übernahm Foote wo immer es sinnvoll war die Dialoge leicht entschlackt aus der Vorlage – darunter auch das nur leicht gekürzte Schlussplädoyer des Atticus Finch vor Gericht. Exquisit sind die von ihm neu eingebauten Sequenzen, meist als Überleitungen genutzt, die die Handlung erheblich bereichern. Ich denke da besonders an den denkwürdigen Abschnitt in dem die Kinder nachts im Bett, kurz vor dem Einschlafen, miteinander flüstern, und Scout plötzlich den großen Bruder nach ihrer Mutter fragt, an die sie keinerlei Erinnerung mehr hat, und die Kamera dann über das Fenster nach draußen schwenkt, wo ein nachdenklicher Atticus allein im Dunkel auf der Verandaschaukel sitzt. Hat er die beiden gehört? Hat er nicht? Dann die Schritte, als Richter Taylor an ihn herantritt, sich zu ihm setzt und ihm den Tom Robinson-Fall anbietet, den Atticus trotz des ihm angebotenen Auswegs annimmt....wie viel erzählt Horton Foote über diese wenigen, unaufgeregten Momente!
Dabei handelte Foote stets mit einem absoluten Verständnis der Sprache des Films und des Erzählens in Bildern. Dennoch, oder deswegen, ist seine Arbeit nicht nur ein Musterbeispiel für eine Literaturadaption, sie ist perfekt. Selbst in der endgültigen Schnittfassung des Films, nochmals um einige Szenen kürzer als das Skript, hat man niemals das Eindruck dass etwas `fehlt´, obschon man weiß das fast die Hälfte des Buches weggelassen worden ist. Ihm gelang eine Bearbeitung, die so formvollendet ist, den Geist der Vorlage so zart einfängt, dass nicht zuletzt ihretwegen „Wer die Nachtigall stört“ als eine der besten Literaturverfilmungen der Filmgeschichte gilt.
„The beauty of Horton's script is, that it captures the very soul of that book“ würde Alan J. Pakula drei Jahrzehnte später einmal sagen.


Peck holt die kleine Kollegin persönlich in L.A. am Flughafen ab.


Mit fertigem Drehbuch und kompletter Besetzung konnte Anfang Februar 1962 auf dem Studiogelände in Los Angeles, Universal City Plaza 100, unter der Regie von Robert Mulligan die erste Klappe für einen Film fallen, von dem man mit Fug und Recht sagen kann, dass er das Leben all derer verändert hat, die an ihm mitgewirkt haben.
Wir wissen, dank der anekdotenreichen Erzählungen Gregory Pecks sogar, welche Szene als Erste an diesem ersten Drehtag auf dem Drehplan stand.....


Tomboy hoch zwei: Harper Lee mit ihrem filmischen
Alter Ego
Es handelte sich um die Sequenz in der Atticus erstmals auftritt und das Haus verlässt um zu seiner Kanzlei zu gehen, wobei die Kinder ihn ein Stück Weges begleiten. Die Szene wurde gedreht, sie lief, sie war ja nicht weiter anspruchsvoll, völlig natürlich und echt ab, Robert Mulligan rief „Cut und Print!“. Die kurze Szene war bereits nach dem ersten Take im Kasten. Im Bereich hinter der Kamera saß auch Harper Lee, die die ersten drei Wochen der Dreharbeiten noch selbst als Beraterin vor Ort war. Gregory Peck war während des Drehs aus dem Augenwinkel heraus etwas an ihr aufgefallen. Er trat an die Frau, nach der später sein Enkelsohn benannt werden würde, heran. 
„Ich sehe, dass sie geweint haben. Ist alles in Ordnung?“ fragte er.
Lee sah ihn an.
„Jaja. Es ist nur....sie haben dieses kleine Bäuchlein – genau wie mein Dad“
Peck verkniff sich ein Schmunzeln. Mit trockenem Ernst entgegnete er „Das...äh..ist kein Bäuchlein, das ist Schauspielkunst“

Hier ein Interview-Ausschnitt in dem Gregory Peck diese Anekdote wiedergibt, in dieser Variante ohne die Pointe. Sie entstammt einer späteren Gelegenheit, nämlich der Dokumentation „A Conversation With Gregory Peck“:





Gregory Peck mit Harper Lee
Tatsächlich dürfte es wohl nicht nur das Bäuchlein gewesen sein, das Harper Lee so anrührte. Gregory Peck hatte sich auf seine Rolle akribisch vorbereitet. Nicht nur trainierte er sich einen glaubwürdigen Südstaaten-Akzent an und lernte sich so zu bewegen als ob er auf einem Auge fast nicht sehen könnte (Der Atticus des Romans ist auf einem Auge halbblind, was im Drehbuch niemals erwähnt oder angedeutet wird. Peck nutzte es trotzdem), probte intensiv, und besuchte einige Wochen vor Drehbeginn Miss Lee und deren Vater Amasa C. Lee in Monroeville. Die Begegnung mit dem humorvoll-spröden älteren Herrn, der sich immer noch fragte, wie um alles in der Welt sich seine einzelgängerische , burschikose Tochter zu einer Pulitzerpreisträgerin hatte auswachsen können, war sehr herzlich – und prägend. Peck borgte sich diverse Manierismen von dem Mann, der Vorbild seiner Figur gewesen war. Und zwar in einer solchen Genauigkeit, dass es Zuschauer die Amasa Lee persönlich kannten, später im Kino verblüffte, 

An jenem ersten Drehtag sah Lee also nicht nur einen Mann die Straße entlanggehen der dasselbe Bäuchlein hatte wie ihr Vater, sondern der sich auch bewegte und sprach wie ihr Vater. Es war die liebevolle Reminiszenz in Pecks Spiel, die ihr die Tränen in die Augen trieb.

Der erste Keim einer lebenslangen Freundschaft.


Tiefe Hassliebe: Mary Badham und Philip Alford


Nicht ganz so herzlich war die Zusammenarbeit zwischen Mary Badham und Phillip Alford, die heute gut befreundet sind. Zwischen einer rotzfrechen Zehnjährigen und einem pubertierenden 13-Jährigen gab es naturgemäß Spannungen und Konflikte (die wiederum perfekt die Situation der Figuren spiegelten) – Nichts aus Erwachsenenperspektive Ernstes, aber für die Kinder, damals, war das Gestreite todernst - auch wenn nicht alles böse Absicht war:

Wir haben nur die Teile des Drehbuchs bekommen, die wir wissen mussten. Ich war nur ein normales, dummes Kind aus Birmingham, Alabama, aber ich hatte alle Zeilen auswendig gelernt. Wenn jemand bei einer Replik zögerte, eine nachdenkliche Pause spielte, dachte ich, dass sie in Schwierigkeiten steckten, also sagte ich stumm vor. Und sie sagten: "Schnitt. Das kannst du nicht machen, Mary. Wir können das im Film sehen. Es war furchtbar. Phillip wurde so sauer auf mich. Ich wusste es einfach nicht besser.

Auch Schauspieler müssen büffeln....
Er hatte auch allen Grund. Weil seine Filmschwester seinen Text ständig vorsagte (und ihn damit auch aus dem Konzept brachte) und zwar besonders während der Speiseszenen, musste der leidgeprüfte Alford 26-mal hintereinander zu Mittag essen und 22-mal frühstücken. Bestimmte Nahrungsmittel konnte er daraufhin Jahre lang nicht mehr zu sich nehmen.
Die Lösung lag, in ganz kindlicher Logik, klar auf der Hand. Die Scout-Darstellerin musste sterben, damit sie durch ein netteres, einfacheres Kind ersetzt werden konnte. Eines, das nicht dauernd vorsagte.
Die Gelegenheit ergab sich in der Szene, in der Scout im Autoreifen in einem Affenzahn unabsichtlich auf das Radley-Grundstück rollt. Alford und der in den `Mordplan´ eingeweihte John Megna stießen den Reifen an, so fest sie konnten, in der Absicht sich der Kollegin zu entledigen. Aber, so Phillip Alford Jahrzehnte später: „Wir waren zu klein und konnten dem Reifen nicht genug Geschwindigkeit verleihen“
Badham überlebte den hinterhältigen Anschlag.


Kuscheliger Weltstar.
Auch andere Szenen und Begebenheiten beim Dreh waren für die Kinderdarstellerin, die ja keinerlei Schauspielerfahrung hatte, sehr schwierig. Hier ein Beispiel, aus dem Mund von Mary Badham:

In der Szene auf der Verandaschaukel, als Atticus sagt: "Scout, weißt du, was ein Kompromiss ist?" sollte ich weinen, und ich konnte nicht. Ich hatte Spaß. Sie haben alles versucht. Sie nahmen mich mit zur Seite und sagten: "Hast du jemals ein Haustier verloren?" Schließlich schwenkte man eine Zwiebel vor meinen Augen.
Mary Badham beschreibt Robert Mulligan, ebenso wie Brock Peters und Gregory Peck, als einen Meister der Schauspielerführung mit ungeheurem Gespür. Besonderes Augenmerk legte er in der Arbeit mit den Kindern darauf, dass sie den Druck des Drehs nie spürten und sie niemals in die Verlegenheit kamen ihre Natürlichkeit und Spontaneität zu verlieren. Er legte großen Wert darauf, dass die Grenze zwischen Spiel und konzentrierter Arbeit für sie absolut fließend war:


Bob Mulligan mit Mary Badham und Gregory Peck.
Am Set zu sein, war ein einziges großes Spiel. Wir hatten Spaß. Phillip sagt, wir hätten die ganze Zeit gekämpft. Ich erinnere mich nicht daran, aber er sagt, wir hätten es getan. Bob Mulligan war einer der besten Regisseure aller Zeiten. Er ging immer in die Hocke um Auge in Auge mit mir zu reden, wie mit einer Erwachsenen. Ich kann mich nicht erinnern, dass er je wie zu Kindern mit uns geredet hat. Er umriss nur kurz die jeweilige Szene für uns: "Die Kamera wird hier sein, du wirst hier sein. Wir werden uns so bewegen. Und dann sagst du deinen Text." Wie ich den Text lieferte, blieb mir überlassen. Ich durfte spontan, ohne Vorbereitung spielen. Ich denke man sieht das auch.

Ja und ob man das sieht.
Mary Badham, Phillip Alford und John Megna liefern drei der besten Kinderdarstellungen des amerikanischen Films überhaupt. Unglaublich natürlich, unverstellt, ungefiltert und ohne jeden Hauch von steriler Künstlichkeit – der der Arbeit mit Kindern im klassischen Hollywood normalerweise anhing. Selbst kleine Holprigkeiten und Imperfektionen wirkten sich da nur positiv aus. Die Kinder tragen weite Teile des Films ganz alleine und so mühelos, dass dem Zuschauer gar nicht wirklich auffällt, dass sie es tun.

Speziell Mary Badham als Scout ragt heraus, sowohl in ihrer Unbefangenheit als auch in der Präzision und Intensität in der sie in den emotionalen Szenen auf Peck reagiert. Wir sprechen von einem Level von Wahrhaftigkeit der für Erwachsene Schauspieler nur sehr schwer und mühselig zu erreichen ist.


Mary Badham, Gregory Peck und Philip Alford bei einer Schachpartie in der Drehpause.
Vorne: Alfords Schwester Eugenia


Dazu trug auch die Bindung bei, die Badham und Alford zu Gregory Peck entwickeln konnten. Peck, der bescheidene Star ohne Allüren, schottete sich nicht im Geringsten ab, sondern ließ Nähe zu.
Schon vor Beginn der Dreharbeiten hatten beide Peck bei sich zu Hause besuchen und mit seinen Kindern spielen dürfen, und er nahm sich, wie auch die Backstage-Aufnahmen eindrucksvoll zeigen, in den Drehpausen immer Zeit für die Kinder, er spielte mit Phillip Alford Schach, ging mit Mary Badham Text durch und alberte mit ihnen herum, ließ sich mit Wasserpistolen von ihnen malträtieren. „Er war unglaublich zugänglich und freundlich“ so Alford.


In einer Drehpause. Als Klammeräffchen: Gregory Pecks Tochter Cecilia
Gregory Pecks Umgang mit Kollegen war stets von Freundlichkeit und bescheidener Zurückhaltung geprägt. Das zeigte sich immer wieder an selbstlosen Gesten, die er aus reiner Freude an der Großzügigkeit tätigte.
So hatte er er zum Beispiel 11 Jahre früher, beim Dreh zu „Ein Herz und eine Krone“ gegen den massiven Widerstand seines eigenen Agenten und der Regie darauf bestanden, dass die noch völlig unbekannte Diplomatentochter Audrey Hepburn, die neben ihm als `runaway princess´ ihr Filmdebüt gab, die Star-Nennung über dem Titel des Films – die ihm vertraglich alleine zugestanden hätte – mit ihm teilen durfte. Seinem Agenten, Mel Tucker hatte er damals augenzwinkernd erklärt: „Das Mädel spielt phantastisch, sie wird einen Oscar gewinnen. Ich werde als `alleiniger Star´ des Films wie ein Idiot aussehen, wenn das passiert“
Sie bekam die Nennung. Und den Oscar.

Auch während „Wer die Nachtigall stört“ gab es mehrere solche Gesten. So klingelte im Haus von Brock Peters, kurz bevor er zu den Dreharbeiten aufbrach, das Telefon. Ihm fiel fast der Hörer aus der Hand, als er hörte, wer dran war: Gregory Peck, der sich persönlich bei ihm vorstellte, für die Mitwirkung bedankte und ihn im Drehteam herzlich willkommen hieß. Es war das erste und einzige Mal in seiner ganzen Karriere, dass Peters von einem berühmten Star so zuvorkommend behandelt wurde.

Trockenprobe für die berühmte Vorleseszene

Brock Peters war in der Darstellung des Tom Robinson exquisit. Zwar hat er nur eine große Sprechszene zu bewältigen, die des Kreuzverhörs, aber er spielt sie so überragend, dass niemand sie vergessen kann, der sie einmal gesehen hat. Unnachgiebig und doch hochsensibel trieb Robert Mulligan, der sich für die Szene ausführlich Zeit nahm weil er das Potential spürte, ihn tagelang immer noch einen Schritt weiter – bis alles aus ihm herausbrach. Er erreichte eine Intensität die Gregory Peck später als „hypnotisch“ beschrieb. Als Peters in der Szene, von der eigenen Imaginationskraft mitgerissen, plötzlich ungeplant anfing zu weinen, musste Peck sich, wie er zugab, mit Gewalt zwingen an ihm vorbei zu blicken um nicht selbst in Tränen auszubrechen. Er konnte ihm nicht in die Augen sehen. So erschütternd war die Darstellung.


Aus der Reihe: Dinge die niemand mag - 
Die  Kostümprobe
Gregory Peck selbst wuchs während der Dreharbeiten in der Rolle des Atticus in einer Weise über sich hinaus, die eine genauere Auseinandersetzung mit ihr erzwingt.

Lange Zeit hatte man, seitens der Kritiker und Zuschauer, den Schauspieler als selbstverständlich hingenommen. Man hatte sich daran gewöhnt dass er verlässlich zur Verfügung stand, eine große Bandbreite abdecken konnte, immer sehr gut aussah, immer exzellent spielte.

Seiner feiner moderner Spielstil, der schon heutigen Gepflogenheiten entsprach, wurde zu Lebzeiten und besonders vor diesem einen Film nicht ausreichend gewürdigt, wie auch Martin Scorsese retrospektiv in einem kleinen Essay anlässlich des 100. Geburtstags von Gregory Peck beschreibt:








So wurde Peck bei Preisverleihungen und Lobeshymnen der Kritiker immer wieder gerne übergangen.
Bei „Wer die Nachtigall stört“ sollte dies nicht mehr möglich sein.


Der Mann im Hintergrund: Atticus Finch (nachcolorierte Abbildung)
Was Alan J. Pakula und Robert Mulligan ahnten, und Peck seit der Lektüre des Buchs gewusst haben muss, trat ein: Er spielte die Rolle seines Lebens. Es war dieser seltene Fall, in dem ein Schauspieler auf eine Figur trifft die genau und speziell nach seinen Fähigkeiten verlangt, der er etwas geben kann was niemand sonst ihr geben kann, und er zugleich instinktiv spürt, dass er mit ihr etwas sagen kann, was er schon sein ganzes Leben lang sagen wollte.
Peck scheint das gewusst zu haben, den er packt alles an schauspielerischem Handwerk aus, das er hat und gießt es in diese eine Darstellung.
Mit ungeheurer Zurückhaltung spielt er seinen Atticus, was der Figur innere Stärke und Gravitas verleiht, man spricht auch von Unterspielen oder „underacting“, und legt dabei gleichzeitig eine rasiermesserscharfe Präzision an den Tag, die verblüfft in ihrer Natürlichkeit. Er spielte es so, weil diese Rolle diese Form von Zurückhaltung verlangte. Weil er wusste dass der Gegensatz aus tiefer Menschlichkeit und einer würdevollen, streng gefassten Oberfläche eine enorme Wirkung erzeugen kann.
Er ist sich voll seiner imposanten Statur bewusst und setzt sie ein; er ist sich voll seiner tiefen Gänsehaut-Stimme bewusst und setzt sie gezielt ein.


Jeder Blick stimmt, jede Geste. Jede Bewegung. Dadurch kann man seiner Figur, die er mit sehr reichen Subtexten füllt, regelrecht beim Denken zusehen, man weiß immer was gerade in ihm vorgeht. Transparenz eben. Diese Mischung aus Reduktion und extremer Genauigkeit ist handwerklich enorm schwer zu spielen, weil es eine extreme Innerlichkeit und einen extremen Fokus verlangt, und weil man im Bruchteil der Sekunde merken würde wenn der Darsteller für einen Augenblick nicht voll in der Rolle ist.
Das braucht sehr viel Erfahrung.


Ich kann an dieser Stelle die Originaldrehbuchseiten zweier Stellen aus Gregory Pecks Manuskript von „Wer die Nachtigall stört“ mit dessen handschriftlichen Notizen, die von der Familie herausgegeben wurden, als Beleg präsentieren, dass es sich hierbei um bewusste Spielentscheidungen gehandelt hat. Bei den Seiten handelt es sich um die Stelle mit dem Schlußplädoyer des Atticus Finch vor Gericht, und um die letzte Drehbuchseite. Peck notierte hier die vier Adjektive, vier wesentlichen Charaktereigenschaften, die für ihn den Kern der Figur ausmachten: Fairness, Sturheit, Courage, Liebe.







Besuch in der Drehpause: Hitchcock der parallel "Die Vögel" drehte besucht
Greg Peck am Set.
Gerne übersieht man auch, in wie vielen menschlich warmen, zarten Farben er das Verhältnis des Atticus zu seinen Kindern zeichnet, und fast jeder übersieht, dass Peck das Schlußplädoyer in einer einzigen Einstellung, ohne jeden Schnitt gespielt hat (hier wurden erst nachträglich Inserts im Schneideraum eingefügt) – fast 7 Minuten am Stück! Das kann heute kaum noch ein Filmschauspieler. Extrem schwer, weil man nicht den geringsten Fehler machen darf und zugleich die Konzentration des Zuschauers ununterbrochen binden muss.
Und Peck brauchte dazu nur diesen einen einzigen Take !

Sein größter Triumph aber ist, dass er traumwandlerisch sicher alle Fallen umgeht die diese Rolle mit sich hätte bringen können – ihn zum „White Saviour“ zu stilisieren, sich in Pathos zu ergehen und im Gutmenschentum dieser Figur zu sonnen. Auch wenn die Figur positivistisch überhöht ist, stattet er sie doch mit so vielen Nuancen aus, verleiht ihr eine solche Wahrhaftigkeit, dass wir, als Zuschauer regelrecht gezwungen sind zu glauben, dass es diesen Menschen geben könnte; mehr noch: Dass es ihn geben muss, irgendwo, unerkannt, in irgendeiner kleinen Stadt.


Bob Mulligan probt auf der Veranda
Der Schauspieler Robert Sean Leonard (bekannt aus „Dr.House“ und „Club der toten Dichter“) der Atticus Finch Jahrzehnte später auf der Bühne spielte, beschreibt Pecks Ansatz für die Vaterfigur Atticus auf diese Weise: 

Einen Witwer in dieser Zeit, der zwei Kinder allein erzieht, umgibt etwas, das einfach anders ist, als die Väter, wie wir sie heute kennen, mit ihren Baseballmützen und ihren Turnschuhen. Er trägt einen dreiteiligen Anzug und trägt Schnürschuhe und zeigt seinen Kindern seine Zweifel nicht. Er will für sie der Fels von Gibraltar sein und so ist es auch im Roman beschrieben, weil das Buch aus der Sicht einer Achtjährigen erzählt ist. Die Aufgabe ist es, diesen Mann so zu zeigen, wie er sich vor 80 Jahren seiner Tochter gegenüber gezeigt hat. Und das hat Peck getan.
Harper Lee war von Pecks völliger Hingabe an die Figur so tief beeindruckt, dass sie ihm, als ihr Vater, Amasa Lee, der ja bereits 83 Jahre alt war, während der Dreharbeiten starb, eines Tages ein Geschenk gab. Es war ein uralte goldene Taschenuhr, die Peck sofort erkannte: Es war die Uhr von Amasa Coleman Lee, mit einer neuen Gravur auf der Rückseite „To Gregory From Harper“. Was für ein Geschenk! In der ihm eigentümlichen Bescheidenheit wollte er das Erbstück zuerst ablehnen, aber Miss Lee bestand darauf, dass er es behielt. Bei der Oscarverleihung 1963 würde er diese Uhr als Glücksbringer in seiner Westentasche tragen. Jahre später, als Harper Lee schon keine Interviews mehr gab, wurde sie in einer handschriftlich verfassten Begleitnotiz für eine DVD Jubiläumsauflage noch deutlicher. Sie schrieb:

Geburtstag während des Drehs: Bob Mulligan, Gregory Peck, Veronique
Peck und Alan J. Pakula
Als ich erfuhr, dass Gregory Peck Atticus Finch in der Verfilmung von „Wer die Nachtigall stört“ spielen sollte, war ich natürlich erfreut: Hier war ein toller Schauspieler, der großartige Filme gemacht hat - was könnte ein Schriftsteller mehr verlangen?....Die Jahre haben mir sein Geheimnis verraten: Als er Atticus Finch gespielt hat, hat er sich selbst gespielt, und die Zeit hat uns allen noch etwas mehr erzählt: als er sich selbst gespielt hat, hat er die Welt berührt.

Aber am vielleicht Treffendsten hat eine Youtube- Kommentatorin namens Hallie Harker Pecks Leistung erfasst und beschrieben, die sich unter einem Tribute-Video so geäußert hat:

Ich habe schon immer gefunden, dass Gregory Pecks Atticus Finch eine der zurückhaltendsten Rollen der Filmgeschichte ist. Es ist eine Darstellung in den Schatten. Peck spielt im Schatten und lässt die Kinder die Geschichte erzählen. Und so sollte es auch sein. Aber es braucht einen großen Schauspieler um eine Rolle, die im Schatten steht, so strahlen zu lassen, wie er es getan hat. Für mich IST er Atticus Finch.

Gregory Pecks Darstellung des Atticus Finch sollte als eine der großen schauspielerischen Leistungen der 60er Jahre in die Filmgeschichte eingehen.

Kamerafrau Scout !


Mary Badham mit Robert Mulligan


Dank der Erzählungen von Mary Badham, können wir heute nicht nur den ersten Drehtag des „principal shootings“ dieses Klassikers rekonstruieren, sondern auch den Letzten.
Es war der 3. Mai 1962.

Auf dem Plan stand jene – heute berühmte – Szene in der Atticus nachts vor dem Gefängnis von Maycomb einem Lynchmob trotzt, und die Situation sich schlagartig auflädt, weil die Kinder, die sich heimlich aus dem Haus gestohlen haben, plötzlich ungefragt dazustoßen. Das Drehbuch sah vor, dass einer der Männer gewalttätig nach Jem greift, und Scout dem Mann vors Schienbein tritt, um den Bruder zu befreien. Regisseur Mulligan sprach die Szene mit den Mitwirkenden durch und wies Mary Badham darauf hin, dass der zu tretende Darsteller ein durch Polster geschütztes Bein habe, und nur an dieses Bein solle sie treten.
Ein frommer Wunsch.
Denn die Kinderdarstellerin, laut eigener Aussage seinerzeit ein „kleiner Schlingel“ trat dem armen Mann vor laufender Kamera viermal ans ungeschützte Bein, was auch die markerschütternde Lautstärke der entsprechenden Schreie erklärt.
Die Szene schritt voran, zu der Stelle an der Scout ihren Text zu sagen hat.
Hier wurde es schwierig, denn:


Es war der letzte Drehtag und ich wusste, dass ich mich von all diesen Leuten verabschieden musste und ich nie wieder jemanden von ihnen sehen würde. Diese Leute waren wie eine Familie. Ich wollte nicht, dass es aufhört.
Ich habe meinen Text nicht richtig gesagt. Schließlich rief Mr. Mulligan "Cut!" Und meine Mutter brachte mich zum Trailer und sagte: "Ich weiß nicht, was mit dir los ist, aber du nimmst dich besser zusammen. Weißt du, wie schlimm die Autobahn um fünf Uhr ist? Diese Leute müssen nach Hause fahren."
Also ging ich raus und brachte meinen Text:" Hey, Mr. Cunningham" und "Ich kenne ihren Sohn."



Die letzte Klappe fiel.
Dann trat Gregory Peck auf einmal schmunzelnd einige Schritte zurück – und die eingeweihte Beleuchter-Crew kippte aus mehreren Kübeln Wasser auf die Kinderdarsteller, die so eine, in der Hitze des Studios eher angenehme, Dusche erhielten. Es war die liebevolle Rache eines Mannes der während des Drehs mit hunderten Wasserpistolenschüssen traktiert worden war.
Und sein Weg auf Augenhöhe, mit einem Zwinkern, „Goodbye“ zu sagen.

Sieht aus, als hätten sie Spaß, die Vier...

Für Regisseur Robert Mulligan endete die Arbeit jedoch noch lange nicht.
Den nun begann der Weg in die Nachbearbeitung, in den Schneideraum und an den Flügel des Filmkomponisten. Erst jetzt würde aus dem abgedrehten Rohmaterial die finale, endgültige Gestalt des fertigen Films in mühsamer Kleinarbeit zusammengesetzt werden. Die eigentliche filmische Erzählung begann erst jetzt.
Mulligan hatte eine glänzende Ausgangsposition, denn das Material war sehr stark. Er hatte die Darsteller seines Ensembles mit äußerstem Feingefühl und großer Erfahrung zu bestechenden Leistungen geführt, die bereits in den „Daylies“ also den jeweiligen Tagessichtungen aufgefallen waren. Er hatte das ungewöhnlich breite stilistische Spektrum des Films, das von einer wehmütig-humorvollen Kindheitserzählung voller Abenteuer, über ,visuell an den deutschen Expressionismus angelehnten, Gothic-Grusel in der Tradition des Grand Guignol rund um die Boo Radley-Figur, bis hin zum erwachsenen, spannungsgeladenen Gerichtsdrama in einem wahren Drahtseilakt ausgefüllt, ohne einen fatalen Stilbruch zu riskieren.
Die emotionale Wucht des späteren Films war bereits zu erkennen.


"Früchte des Zorns" (1940)
Ebenso zu erkennen waren bereits damals, und sind noch heute, die filmischen Vorbilder die Robert Mulligan und Chefkamermann Russell Harlan beeinflussten. Waren die sonnendurchfluteten Tagesszenen in schwülheißer Tageshitze in ihrem Timbre und ihrer Bildästhetik ganz klar an die intensive, fast dokumentarische Bildsprache von Gregg Tolands („Citizen Kane“) famoser, fast halbdokumentarischer Kameraführung zu John Fords meisterlicher John Steinbeck-Adaption „Die Früchte des Zorns“(1940) inspiriert – die ebenfalls im ländlichen Milieu während der Depressions-Ära gespielt hatte – so haben die nächtlichen Boo Radley-Abenteuer in ihrer schauerlichen Überzeichnung nicht nur visuelle Anklänge an den deutschen Stummfilm, sondern erreichen in ihren stärksten Momenten auch die poetische Kraft von „Die Nacht des Jägers“ aus dem Jahr 1955.


"Die Nacht des Jägers" (1955) von Sir Charles Laughton
Dieses Regiedebüt des Schauspielers Charles Laughton ( Captain Bligh in „Meuterei auf der Bounty“ 1935, Quasimodo in „Der Glöckner von Notre Dame“ 1939 und Verteidiger Sir Wilfried in „Zeugin der Anklage“ 1957) war ein poetisches, betörendes Schauerdrama um zwei Kinder die vor dem Mörder ihrer Mutter, einem falschen Prediger (gespielt von Robert Mitchum), der das Versteck zu einem Schatz erfahren will, durch die Nacht fliehen, erzählt als ein Märchen. Ein Meisterwerk, dessen Einfluss auf „Wer die Nachtigall stört“ unübersehbar ist.


Die Bildästhetik des Films spiegelt radikal den Erlebnisprozess und den Blickwinkel der kindlichen Protagonistin, so wie es später Elmer Bernsteins Filmmusik ebenfalls meisterlich tun würde.


Film Noir - artig ausgeleuchtete Nacht-Szene
Überhaupt ist die Kameraführung von Russell Harlan herauszuheben. Seine hinreißend grobkörnigen Schwarzweißaufnahmen fangen die 30iger Jahre ein wie eine Zeitkapsel: Genau, klassisch, real bis in die Details und wunderschön. Man hat fast das Gefühl einen Film zu sehen der in den dreißiger Jahren gedreht worden ist. Seine visuelle Auflösung des Raumes ist brillant, wie man zum Beispiel in der Sequenz mit dem tollwütigen Hund mustergültig sehen kann; herausragend auch die ganze Gerichtssequenz.
Die größte Herausforderung muss die Szene gewesen sein, in der Scout (in einem lebensgroßen Schinkenkostüm – fragen sie nicht!) und Jem auf dem nächtlichen Nachhauseweg von einem Unbekannten brutal überfallen werden. Wie um alles in der Welt filme ich das, aus der Perspektive des Mädchens, das in einem Schinken steckt und auf keinen Fall sehen darf, wer der Angreifer ist? Nahezu unmöglich – aber Russell Harlan fand einen Weg.

Blick auf das Radley - Haus: "Da drüben wohnt der böseste Mann der je
gelebt hat!"
Am bewunderungswürdigsten sind tatsächlich die grandios gearbeiteten Nachtaufnahmen, die absolut sensationell ausgeleuchtet sind. Kontrastreich, mit Mut zu echter Dunkelheit, sieht man hier wirklich Nachtsszenen, die ihre Kraft dadurch entfalten, dass man nicht, wie heutzutage taghell erleuchtete Szenerien hat in denen lediglich der Himmel schwarz ist. Das Know-How Nachtatmosphäre so zu photographieren ist offensichtlich seither irgendwo, irgendwie, irgendwann verschütt gegangen. Die Cinematographie des Films, die von vielen Kritikern zu recht als „haunting“ und „hauntingly beautiful“ beschrieben wird, erreicht eine solche Kraft, dass ihre Bilder sich ins unvergesslich ins kollektive Gedächtnis eines Publikums eingebrannt haben.
Man denke etwa an jene hinreißende Einstellung, gefilmt als Halbnahe (medium shot) von unten, während des Prozesses (innen, nachts) in der Scout, bereits auf dem Boden kauernd, von der Galerie aus durch die Sprossen des Geländers mit einem tieftraurigen Blick hinab auf ihren Vater sieht, der um das Leben eines Unschuldigen kämpft. `Die Gerechtigkeit der Erwachsenen – DAS soll sie sein?´ scheint er zu sagen.


Damit treten wir den Weg in die dunkle Geburtskammer jedes Filmwerkes an, den Schneideraum, und dort berühren wir ein lang gehütetes Geheimnis, ein großes Mysterium dieses Films, das lange nur eine urbane Legende war – hier, heute, in diesem Beitrag sind erstmals alle Belege für ihre Richtigkeit zusammengetragen die die Zeit überdauert haben; und hier, in diesem Beitrag wird erstmals in deutscher Sprache gelüftet, was hinter den Kulissen geschehen war....
Es geht um die verschollenen Szenen von „Wer die Nachtigall stört“.
Ja, ganz richtig, verschollene Szenen.
Es hieß bereits seit vielen Jahren, dass der Film in seiner Rohfassung, seiner Urform, deutlich länger war und Szenen enthielt die später spurlos verschwunden sind. Diese Behauptung ist zutreffend. Ich kann an dieser Stelle vier Setfotografien präsentieren, die diese Szenen zeigen, aufgenommen vom Stand-Photographen des Films, sie zeigen Ausschnitte aus Sequenzen, in voll ausgestatteten Räumen und in vollem Kostüm, die im fertigen Film nirgends auftauchen. Nur für Promo-Fotos baut man keine solch aufwendigen Sets, man leuchtet sie auch nicht so perfekt aus. In dem Foto, das Scout in der Schule zeigt, ist die Kamera voll im Bild, man sieht das gerade gedreht wird. 

Verschollene Schul - Szene

Zwei weitere Fotos zeigen Stellen aus der Nebenhandlung mit Mrs. Dubose (Ruth White): Einmal wie Jem, der im Sterben liegenden Nachbarin aus einem Buch vorliest (dem Roman zufolge dürfte das `Ivanhoe´ von Sir Walter Scott gewesen sein) und einmal Jem, Scout und Atticus am Bett der kränklichen Mrs. Dubose. 




Das vierte Foto zeigt Scout mit Mrs. Maudie Atkinson (Rosemary Murphy) bei deren Azaleen.





Mehr noch, mir liegt eine mit „Final Draft“ bezeichnete Drehbuchfassung von Horton Foote vor, die alle diese Szenen, die fotografisch festgehalten sind, auch enthält. Diese Version ist 147 Seiten lang, und sollte daher, gemäß der üblichen Daumenregel, einen etwa 150 minütigen Spielfilm abgeben – der fertige Film ist aber nur knapp 130 Minuten lang. Hier ein Ausschnitt der Schulszenen aus diesem Skript:



Es kann kein Zweifel bestehen: Diese Szenen müssen tatsächlich gedreht und dann nachträglich im Endschnitt komplett entfernt worden sein, leider, offensichtlich ohne das geschnittene Material entsprechend zu präservieren. Daher haben wir leider die entsprechenden Ausschnitte nicht. Sollten sie aber nicht weggeworfen worden sein, so besteht, da damals eine Wiederverwendung d.h. ein Überspielen der Bänder nicht möglich war, eine gewisse Hoffnung, dass dieses Material irgendwo, unbeschriftet, in irgendeiner Alten Dose im Archiv von Universal einen jahrzehntelangen Winterschlaf schlummert. Dann könnte es doch noch gefunden werden.
Interessanter ist die Frage, warum das Material, unter welchen Umständen, geschnitten worden ist.
Auch darauf ergeben meine Recherchen eine Antwort die sich belegen lässt.
Demnach gab es vor allen Dingen einen Grund: Gregory Peck.


Mir liegen zwei Memos vor, die Gregory Peck an seinen Agenten, Universal Pictures und natürlich Pakula und Mulligan geschickt hat – aus ihnen geht unzweifelhaft hervor dass er die Schnitte verlangt hat.
Peck war offensichtlich mit dem ersten Rohnschnitt nicht einverstanden, der viel zu lang war, und seine Figur, so fand er, in den Hintergrund schob. Am 18. Juni 1962 schrieb er knapp:

Atticus hat keine Chance als mutig oder stark zu erscheinen. Der Schnitt scheint generell
völlig antiheroisch soweit es Atticus betrifft, bis zu dem Punkt, wo er wischiwaschi wirkt. Verstehe diesen Ansatz nicht.



Galt als äußerst belesen: Gregory Peck.
Laut der Harper-Lee-Biographie „I am Scout“ lag diesem Memorandum eine Liste mit 44 Verbesserungsvorschlägen bei. Da Gregory Peck als Co-Produzent in den Film eingestiegen war um die Finanzierung zu sichern, standen ihm solche Vorschläge auch durchaus zu, das ist zunächst ein völlig übliches Prozedere unter gleichberechtigten Produzenten. Außerdem wusste Peck, dass der Endschnitt nicht in den Händen von Universal sondern von Alan J. Pakulas Produktionsgesellschaft und somit in den vertrauenswürdigen Händen von Chefeditor Aaron Stell lag.
Das Studio hatte hier keine Kontrolle.
Ein zweiter Cut wurde erarbeitet und wieder von allen in Augenschein genommen.
Diese Fassung fand Gregory Peck offenbar deutlich besser, dennoch verlangte er nach weiterer Entschlackung. Am 6. Juli 1962 antwortete er:

Ich glaube, wir haben da einen guten Charakter in Atticus, mit etwas Humor
und Wärme in den frühen Stadien und einiges an Emotion und
innerem Konflikt im Prozess und später. . . . Meiner Meinung nach wird der Film
stark gewinnen, wenn Atticus Storyline klarer hervortritt, und die
Kinderszenen proportional reduziert werden.



Eine Dekade früher: Audrey Hepburn und Gregory Peck kartenspielend
am Set von "Ein Herz und eine Krone"
Weitere Schnitte wurden gemacht, hin zu der Fassung des Films die wir heute kennen. Alan J. Pakula sagte später im Interview „Die Szene herauszuschneiden in der Jem der sterbenden Mrs. Dubose vorliest hat mir das Herz zerrissen. Aber es war notwendig.“ Einige Publikationen versuchen diesen Prozess so darzustellen, als ob Gregory Peck sich dadurch auf Kosten der Kinderdarsteller ungebührlich in den Vordergrund habe drängen wollen.
Dem widerspricht Verschiedenes. Zum Einen, dass, wie bereits erwähnt, der Austausch von Ideen und Änderungen unter Produzenten über Memos absolut normal ist. Zum Anderen dass es nicht Pecks Gepflogenheiten entsprach sich auf Kosten Anderer zu profilieren, seine Karriere bietet keine derartigen Beispiele und dass weder Robert Mulligan noch Alan Pakula, auch nach Pecks Tod, je über unzulässige Einmischung oder Ausübung von Druck klagten (im Gegenteil arbeitete das so entstandene Dreier-Team noch mehrfach danach zusammen). Drittens, dass die Figur des Atticus auch in der Endfassung nur in knapp über einem Drittel des Films im Vordergrund steht, zwei Drittel gehören den Kindern.

Ich vermute daher, dass die entsprechenden Anschuldigungen Folge einer Fehldeutung eines kollegialen Arbeitsprozesses sein dürften.

Ob nun Gregory Peck mit seinen Vorschlägen recht hatte, oder nicht, lässt sich mangels Blick auf den fraglichen Rohschnitt nicht sagen. Wir können aber sagen, dass die fertige Version einen nahezu idealen Fluss aufweist und ein hervorragendes Timing, ohne dass man je den Eindruck von Längen hätte. Insofern kann man festhalten, dass es immerhin möglich ist, das Peck hier den richtigen Instinkt hatte.
Dass diese Endfassung durch solche, für Filme oft zerstörerische, massiven Schnitte (von einigen holprigen Übergängen abgesehen) nirgends beschädigt wurde spricht für Pecks Ansatz und dass diese Version immer noch als eine der besten Literaturadaptionen überhaupt gilt, spricht für die außerordentliche Qualität von Horton Footes Arbeit.




In dieser Phase der Produktion, wurde auch noch ein weiteres, in diesem Fall zur Gesamtqualität wesentlich beitragendes Element in den Film eingefügt: Der Vorspann. Zu jener Zeit, in den 60igern (und noch lange danach) war das Schaffen eines Titeldesigns eine ganz eigene hochrespektierte Kunstform. Die beiden berühmtesten Titeldesigner der Welt waren Saul Bass - der nicht nur die äußerst kunstvollen Vorspannsequenzen für die Hitchcock-Klassiker „Vertigo“ (1958), „Der unsichtbare Dritte“ (1959) und „Psycho“(1960) entwickelt hatte, sondern auch für Meilensteine wie „Spartacus“ und „Exodus“ (beide 1960) und „West Side Story“ (1961) – und Maurice Binder , aktiv seit dem Cary Grant-Klassiker „Indiskret“ (1958) der ab 1962 die ebenso hocherotischen wie sexistischen Titelsequenzen aller klassischen James Bond-Filme bis 1989 kreierte.
Und dann war da STEPHEN FRANKFURT.


Adrian Curry schreibt treffend über ihn:

Ausschnitte aus dem Titelvorspann
Stephen Frankfurt war so etwas wie ein echter Don Draper: ein Hot Shot-Werbeagent der Sixties Madison Avenue, der 1965 in einem 30-minütigen Film mit dem Titel „The Quiet Persuader“ von der BBC portraitiert wurde (Komplett auf YouTube zu sehen). Der 1931 geborene und offenbar noch heute in der Werbung tätige Frankfurt wurde international bekannt, als er 1968 zum Präsidenten von Young & Rubicam ernannt wurde. Er war nicht nur mit 36 Jahren der jüngste Mann in der Werbung, der ein so hohes Amt innehatte, er war auch noch ein Art Director, zu einer Zeit als es für Art Directors noch unüblich war, Agenturen zu leiten. Young & Rubicam war die zweitgrößte Werbeagentur der Welt und in der ersten Episode der neuen Staffel von „Mad Men“ erwähnt Don Draper Y & R als Rivalen. Er beklagt sich über die viel geräumigeren Büros von Y & R, obwohl man im BBC-Stück sehen kann, dass ihre Büros nicht annähernd so glamourös sind wie Sterling Coopers. (In den ersten Minuten des BBC-Films hält Frankfurt eine so sarkastische Rede darüber, dass Werbung etwas ist, was die Leute nicht brauchen, dass ich schockiert bin, dass Matthew Weiner sie noch nicht für „Mad Men“ gestohlen hat.)
Frankfurt hatte 1957 im Alter von 25 Jahren bei Y & R begonnen, und seine preisgekrönten Werbefilme brachten ihm die Aufmerksamkeit des Produzenten Alan J. Pakula ein, der ihn 1962 für die Gestaltung der Haupttitel von „Wer die Nachtigall stört“ engagierte. Die Sequenz veränderte die Kunst des Titeldesigns (Cameron Crowe huldigte ihr in „Almost Famous“, und Kyle Cooper gab ihr in „Se7en“ seinen eigenen Twist).

Frankfurt war ein brillanter Designer und großartiger Ideengeber, und sein innovativstes Marketingkonzept, beginnend mit Rosemary's Baby im Jahr 1968, sah das Werbepaket eines Films als Totalität - die Gestaltung von Titeln, Plakaten, Trailern und Anzeigen mit einer gemeinsamen Optik und gemeinsamem Thema. Er war auch eine Spezialist für Slogans [ taglines] ("Bete für Rosemary's Baby", "Im Weltall hört dich niemand schreien", "X was never like this")



In der Tat ist Stephen Frankfurts Titeldesign eine der heute berühmtesten Vorspannsequenzen der Welt – auch eine der Bezauberndsten: Das spielende Mädchen, das den Titel des Films schraffiert und aus dessen Summen heraus die Titelmusik wie von Zauberhand entsteht, die Holzkiste mit den Geschenken die die Kinder später im Film aus dem Astloch holen; all das ist bereits für den Inhalt relevant, all das setzt bereits in äußerst sinnlicher Weise den Ton für den ganzen nachfolgenden Spielfilm. Verstärkt wird diese Wirkung, weil Filmkomponist Elmer Bernstein seine Titelmusik an den Vorspann so anpasste, dass Bild und Klang miteinander spielen, in ein harmonisches Duett einstimmen. Schöner kann man in einen Film gar nicht einsteigen.

Fast haben wir nun einen fertigen Film, nur muss, zu guter Letzt, noch der Taktstock geschwungen werden, und nicht selten steht und fällt ein Film mit seiner Musik....


Maestro Elmer Bernstein
Der 1922 in New York City geborene ELMER BERNSTEIN (nicht verwandt mit Leonard Bernstein. Der Name wird `Bernsteen´ ausgesprochen) wollte ursprünglich Konzertpianist werden, doch das Schicksal wollte es anders – zum Glück. Er studierte an der renommierten Julliard School, der berühmtesten Musikhochschule der USA, Piano und Kompositionslehre, sowie Musikpädagogie an der New York University. Während des zweiten Weltkriegs war er als Musikarrangeur für die Army tätig. Nach seiner Rückkehr begann er wieder aufzutreten und zu komponieren, zunächst nur für das Radio. 1949 schrieb er Musik für ein Radioprogramm der Vereinten Nationen. Zufällig wurde diese Komposition von Musikspezialist und Drehbuchautor Norman Corwin gehört, der Bernstein an Sidney Buchman, damals Studiochef von Columbia Pictures, empfahl.
So entstand der erste Filmvertrag.

Nach zahlreichen B- Filmen, wie „The Battles Of Chief Pontiac“ von 1952, machte Elmer Bernstein als Filmkomponist erstmals 1955 international auf sich aufmerksam, als er ,für den um Drogensucht kreisenden Frank Sinatra Klassiker „Der Mann mit dem golden Arm“, den ersten reinen Jazz-Score der Filmgeschichte schrieb. Eine weitere große Chance ergab sich für ihn 1956 durch das prallbunte Bibelepos „Die zehn Gebote“ mit Charlton Heston, als Cecil B. DeMilles Stammkomponist, Victor Young, krank wurde und ersetzt werden musste. Dadurch stieg Bernstein, der einsprang, endgültig in die A-Liga auf. Große Arbeiten für „Die Nacht kennt keine Schatten“(unter Bob Mulligan) und „Dein Schicksal in meiner Hand“ beide 1957, „Begierde unter Ulmen“ 1958, „Die Glorreichen Sieben“(1960, ikonisch!) und „Der Gefangene von Alcatraz“ (1962) folgten und wiesen Bernstein als ungeheuer vielseitigen Alleskönner aus. 



Filmclip mit 10 der berühmtesten Arbeit Elmer Bernsteins


Bis 2002 sollte er für über 251 Kino- und TV Produktionen Filmmusiken schreiben, viele davon wurden legendär (Wie „Gesprengte Ketten“ 1963, „Der Marshall“ 1969, „Ghostbusters“ 1984, „Mein linker Fuß“ 1989 oder „Zeit der Unschuld“ 1993), und trotz zahlreicher Nominierungen nur einen einzigen Oscar gewinnen, 1968, für das Musical „Thoroughly Modern Millie“ mit Julie Andrews. Er gilt dennoch als einer der einflussreichsten amerikanischen Filmkomponisten überhaupt der unter anderem Alan Silvestri, Georges Delerue, Howard Shore, James Newton Howard, John Barry, Lalo Schifrin, Hans Zimmer, James Horner, Jerry Goldsmith, John Williams, Trevor Jones, Alan Menken, Randy Newman und Danny Elfman wesentlich beeinflussen sollte.

Als er für „Wer die Nachtigall stört“ engagiert wurde, hatte Elmer Bernstein bereits 3 Oscarnominierungen errungen – und sollte sein absolutes Meisterwerk abliefern, einen Score der von Fachleuten regelmäßig unter die zehn besten Filmmusiken der Filmgeschichte gewählt wird, meist sogar unter die Top drei, und nicht selten sogar auf Platz 1.


Nichtsdestotrotz fand Bernstein die Aufgabe zunächst fast unlösbar. „Ich habe sechs Wochen gebraucht um mit dieser Filmmusik vom Fleck zu kommen“ erinnerte er sich Jahre später „Ich hab mir wirklich selbst Angst gemacht, bevor ich realisiert habe, was der ganze Kern dieser Komposition war. Was macht die Musik hier? Was für eine Atmosphäre kreiert sie? Was ich realisierte war, dass ihre wirkliche Funktion darin bestand mit der Magie in einer kindlichen Welt umzugehen. Das war der ganze Schlüssel zu diesem Score, und daher auch die hohen Register auf dem Piano, die Schellen und Harfen, Instrumente die ich mit kindlicher Magie in einem ganz und gar amerikanischen Kontext verband“
Musikkritiker Kevin Mulhall, nennt Bernsteins Score für „Wer die Nachtigall stört“ in seinem Aufsatz „Scenes from Maycomb County“ eine der, Zitat, „schönsten und einflussreichsten Kompositionen in der Geschichte der Filmmusik“ und das Titelthema, offensichtlich stark inspiriert durch „Lark Ascending“ von Ralph Vaughan Williams `eines der hinreißendsten Stücke die je in einem amerikanischen Soundtrack zu hören waren´. Weiter erläutert er:

Die Musik für „Wer die Nachtigall stört“ ist warmherzig, lyrisch, neugierig, heiter, impressionistisch und gelegentlich alptraumhaft – alles charakteristisch für das Erleben eines Kindes


Der junge JOHN WILLIAMS, noch ohne sein
charakteristisches Ziegenbärtchen.
Die Titelsequenz und die spätere Boo Radley-Sequenz, samt dem Schluss, gelten, bis zum heutigen Tag, als zwei der filmmusikalisch am besten orchestrierten Szenen der Filmgeschichte.
Die Intensität und Virtuosität mit der Elmer Bernstein alle Register dieses komplexen Films füllt ist regelrecht verblüffend, das Ergebnis: Ein Soundtrack der sogar aus Bernsteins reichem Werk weit herausragt, und fast so ikonisch wurde der Film selbst.


Übrigens:
In der Originaleinspielung der Titelmusik sitzt nicht etwa Elmer Bernstein am Piano, sondern ein junger Schüler von ihm, der ihn später einmal weit überflügeln sollte: John Williams, den wir heute als 5-fachen Oscarpreisträger (für „Anatevka“ 1971, „Der weiße Hai“ 1975, „Star Wars“ 1977, „E.T. - der Außerirdische“ 1982 und „Schindlers Liste“ 1993) kennen, und der mit mittlerweile 51 Oscarnominierungen als Filmkomponist, mehr Nominierungen als jeder andere lebende Mensch, im Guiness Buch der Rekorde steht.


Hier eine neu-arrangierte Suite aus Bernsteins wichtigsten Stücken für „Wer die Nachtigall stört“, aufgeführt anlässlich des 100-jährigen ASCAP Jubiläums in Krakau, 2014, an der Querflöte Sara Andon:



Und für diejenigen die keine Angst vor massiven Spoilern haben hier ein Ausschnitt einer konzertanten Aufführung des Films (mit Live Musik) in der Hollywood Bowl, in Los Angeles, der einen Eindruck der Wirkung erlaubt, die Bild und Musik vor 52 Jahren hinterlassen haben müssen:




Die Produktion von „Wer die Nachtigall stört“ endete im Sommer 1962.
Die Weltpremiere fand am 25. Dezember 1962 in Los Angeles, Kalifornien statt.
Die Frage war:
Wie würde die Öffentlichkeit reagieren?




Teil 1 mit dem Titel "A Novel Of Rare Excellence" findet sich hier:


Teil 3 des dreiteiligen Essays "Nachspiel" finden Sie hier:
https://uncahierducinema.blogspot.de/2018/02/das-gewissen-eines-einzelnen-wer-die_11.html


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